Unser Appell fand zwar viel Resonanz. Aber leider vergeblich. Die absehbare Eskalation führte und führt sinnlos zu tausenden Toten. Dennoch werden wir nicht aufhören, uns gerade in diesen Zeiten für Frieden und Völkerfreundschaft einzutreten. Was wir sagten bleibt richtig. „Hört auf!“
Appell
der Zivilgesellschaft anlässlich des 80. Jahrestages
des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941
Mit Sorge und Empörung nehmen wir die zunehmende Verschlechterung der Beziehungen zwischen der Europäischen Union, Deutschland und Russland zur Kenntnis. Diese unsägliche Entwicklung muss aufhören! Wir treten dafür ein, politische Probleme zwischen den Staaten in vernünftiger Art und Weise, im Dialog, mit Respekt und Achtung voreinander zu lösen.
Permanente Boykottdrohungen, wie zum Thema Nordstream2, Handelseinschränkungen bis hin zu einem SWIFT- Ausschluss und Forderungen nach einem Ausscheiden Russlands aus dem Europarat etc., sind für uns inakzeptabel. Mit Befremden sehen wir, dass solche Forderungen auch von Persönlichkeiten erhoben werden, die auf deutscher Seite im „Petersburger Dialog“ mitwirken.
Hört auf damit!
Wer keinen Dialog will, ihn erschwert oder gefährdet, sollte dann auch die persönlichen Konsequenzen ziehen und die Arbeit dort nicht länger belasten. Wir begrüßen daher die Bemühungen der Ministerpräsidentin von Mecklenburg- Vorpommern, Manuela Schwesig, um Nordstream2 und die jüngst erfolgte Reise des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer nach Moskau. Das sind die richtigen Zeichen, denen sich auch der Deutsche Bundestag mit dessen parlamentarischen Bemühungen um ein besseres Verhältnis nicht länger entziehen sollte. Statt Kontaktpflege werden aber immer neue Hemmnisse aufgebaut.
Das Minsk- Abkommen wird in bedauerlicher Weise von der ukrainischen Seite nicht umgesetzt. Einseitige Forderungen zur Einhaltung und Boykotte gehen aber medial und politisch ausschließlich in die russische Richtung. Zwei Drittel aller zivilen Opfer im traurigen Donbass- Konflikt gehen nach Feststellung der OSZE aber auf das Konto der Regierenden in Kiew. Die Massaker auf dem Maidan und in Odessa wurden bis heute nicht aufgeklärt. Wir sehen mit Sorge statt dessen die verstörende SS- Verherrlichung in Teilen der Ukraine.
Wir haben volles Verständnis für die Menschen auf der Krim, dass sie in ihrer großen Mehrheit froh sind, infolge der Wiedervereinigung mit Russland nicht das Schicksal der Menschen in Donezk und Luhansk teilen zu müssen. Wir fordern die Wiederherstellung der Städtepartnerschaften, des Austauschs, der Reisefreiheit und ein Ende des Boykotts der Krim.
Wer solche Forderungen stellt und auf Fakten hinweist, wird in Deutschland medial und politisch leider oft und bezeichnend als „Russland- Versteher“ kritisiert. Wir halten es für inakzeptabel, dass bereits der Versuch eines Verstehens russischer Interessen, auch bei unterschiedlichen völker- rechtlichen Beurteilungen, einseitig politisch und medial diskreditiert wird.
Hört auf damit!
Dies heißt nicht, dass wir den politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in Russland unkritisch gegenüberstehen. In jedem Land und in jeder Gesellschaft gibt es, wie bei uns, unterschiedliche politische Richtungen und Strömungen. Diese müssen von den Regierenden gewaltlos und demokratisch respektiert und toleriert werden, sofern die andere Seite umgekehrt die ver- fassungsmäßigen Grundlagen akzeptiert.
Wir wenden uns mit Entschiedenheit gegen die zunehmende westliche und leider auch deutsche Doppelmoral in der „Werte“- Diskussion. Wer einerseits Alexei Nawalny als politischen Gefangenen bezeichnet und dessen Freilassung fordert, andererseits aber zum Skandal der jahrelangen Inhaftierung eines Julian Assange ohne Urteil oder gar zu Guantanámo schweigt, ist, wie die deutsche Bundesregierung, Teil dieser Doppelmoral.
Hört auf damit!
Bedauerlicherweise gibt es im Europäischen Parlament, insbesondere auf Druck von baltischen Staaten und von Seiten Polens, massive Versuche der Geschichtsklitterung zur Verantwortung für den 2. Weltkrieg. Wir rufen das Parlament dazu auf, durch dortige nationalistische Hardliner nicht neue und zusätzliche Gräben aufreißen zu lassen, sondern statt dessen einen Beitrag zu leisten, Konflikte im Osten Europas nicht durch einseitige und unhistorische Schuldzuweisungen und Stimmungsmache weiter zu verschärfen.
Hört auf damit!
Warum lassen wir zu, dass bei den Menschen aller Generationen in Russland ein Gefühl entsteht, dass der Westen und die NATO ihr Land bedrohen? Mit tausenden von Soldaten werden Manöver wie „Defender“ abgehalten. Die westlichen „Verteidigungsausgaben“ betragen ein Vielfaches von denen in Russland, sogar gegenüber dem „Rest“ der Welt. Militärisch ist eine regelrechte Einkreisung Russlands Im Gange. Von einer militärischen Bedrohung des Westens seitens Russlands kann allein bei diesen nüchternen Feststellungen und einem Vergleich der Militärausgaben keine Rede sein.
Hört auf damit!
Welche Lehren haben wir Deutschen aus dem 22.Juni 1941 wirklich gezogen? Noch heute wirkt der heimtückische Überfall Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion angesichts der über 27 Millionen sowjetischer Kriegsopfer als Trauma in allen Bereichen der russischen Gesellschaft, so auch in der Stadt Kaluga, Ort der XVI. Partnerschaftskonferenz, fort. Das sollte einer verantwortlichen deutschen Außenpolitik bekannt sein. Säbelrasseln ist keine Lösung.
Hört auf damit!
Richard von Weizsäckers eindringliche Mahnung, vorgetragen am 8.Mai 1985 zum „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus“, war, ist und muss wieder die alternativlose Grundlage deutscher und europäischer Politik sein:
„Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass gegen andere Menschen, gegen Rus- sen oder Amerikaner, gegen Juden oder Türken, gegen Alternative oder Konservative, gegen Schwarz oder Weiß.“
Wir, die VertreterInnen von zivilgesellschaftlichen Vereinen, Verbänden und Städtepartnern in Deutschland mit unseren aktiven Beziehungen nach Russland handeln danach und fordern dieses auch von den politisch Verantwortlichen in Russland, Deutschland und in der EU ein! Wir wollen seitens der Regierenden und unseren politisch Verantwortlichen kein weiteres Hineintreiben in Feindschaft und kalten Krieg.
Hört endlich auf damit!
Dieser Text wurde von Mitgliedern und Verantwortlichen der nachfolgenden Vereine und Organisationen mit der Bitte um weitere Unterzeichnerinnen und Unterzeichner vorbereitet bzw. unterstützt:
Deutsch- Russische Freundschaftsgesellschaft in Thüringen e. V., Dr. Martin Kummer, Vorsitzender
Deutsch- Russische- Gesellschaft Ettlingen e. V. (DRG), Gerhard Laier, Vorsitzender
Deutsch- Russische Gesellschaft Pforzheim u. Enzkreis e. V. (DRG), Katharina Leicht, Vorsitzende
Deutsch- Russländische Gesellschaft Wittenberg e.V., Dr. Heinz Wehmeier, Vorsitzender
Freundeskreis Baden- Baden/ Jalta (Krim), Gérard und Uta Ell
Freundeskreis Heidelberg- Simferopol e.V., Magdalena Melter, Vorsitzende
West- Ost- Gesellschaft in Baden- Württemberg e.V. (WOG), Jörg Tauss, Vorsitzender
West- Ost- Gesellschaft Schwäbische- Alb e.V., (WOG), Joachim Claus, Vorsitzender
Deutsch- Russische- Gesellschaft Kiel, Frieder Möller, Vorsitzender
„Bremer Friedensforum“, Ekkehard Lentz, Sprecher
Osteuropa- Freundschaftsgesellschaft Mecklenburg- Vorpommern e.V., Kerstin Voigt, Landesvorsitzende
Karlsruhe – Krasnodar Freundschaftsgesellschaft e.V., Manfred Czychi, Vorsitzender
Bundesverband für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA), Berlin, Urs Unkauf, Leiter Regierungsbeziehungen
Wir schließen uns diesem Appell an (ErstunterzeichnerInnen)
Prof. Dr. med. Helmut Hahn, Ausländisches Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, Vorsitzender Koch- Metschnikow- Forum (KMF), Berlin
Dr. Reinhard Duddek, Erfurt
Otto Braun, Saurat (F)
Rosl Gebhardt, Laichingen
Günter R. Guttsche, Erfurt
Stefan Heitmann, Biberach/ R.
Manfred Kleineidam, Hohenmölsen
Dr. Gert Meyer, Marburg
Alex Nassauer, Biberach/ R.
Mario Roedel, Berlin
Lenard Sprang, Starnberg
Horst und Hildegard Strohschein, Berghülen
Brigitta Walther, Hellenthal
Bernd Zeh, Karlsruhe
René Zucker, Darmstadt
Ab hier kann auch online unterschrieben werden: